Nach einer Mitteilung des Auswärtigen Amts vom 27. Oktober 2020 an die Migrations- und Integrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE Akbulut Gökay (Nachfrage zur SF Nr. 9-393) ist es in insgesamt 81 Drittstaaten (darunter die Hauptherkunftsstaaten Ägypten, Albanien, Iran, Libanon und Mexiko) zurzeit nicht möglich, den für den Ehegattennachzug geforderten Deutsch-Test abzulegen.
Die Antwort des Auswärtigen Amtes beruht auf einer weltweiten Abfrage der Auslandsvertretungen. Demnach gibt es zuletzt in 18 Drittstaaten pandemiebedingt keine Möglichkeit zum Ablegen einer Sprachprüfung beim Goethe-Institut oder anderen anerkannten Einrichtungen. Dies betrifft folgende Länder: Ägypten, Albanien, Bangladesch, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Eritrea, Indonesien, Israel, Iran, Kuwait, Libanon, Malaysia, Mexiko, Mosambik, Myanmar, Namibia, Paraguay.
Hinzu kommen 63 Drittstaaten, in denen es auch sonst (unabhängig von der Pandemie) keine zertifizierte Prüfungsmöglichkeit gibt. Dies gilt für die folgenden Staaten: Afghanistan, Angola, Antigua und Barbuda, Äquatorialguinea, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belize, Benin, Bhutan, British Virgin Islands, Brunei Darussalam, Burundi, Cabo Verde, Cook Inseln, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Demokratische Volksrepublik Korea, Dominica, Fidschi, Gabun, Gambia, Grenada, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Jemen, Katar, Kiribati, Komoren, Laos, Lesotho, Liberia, Libyen, Malawi, Malediven, Mali, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Mikronesien, Nauru, Niger, Nioué, Palau, Papua-Neuguinea, Republik Kongo, Salomonen, Sambia, Sao Tomé und Principe, Sierra Leone, Somalia, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname, Syrien, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad, Tuvalu, Vanuatu, Zentralafrikanische Republik.
Diese Einschränkung ist für den Familiennachzug rechtlich bedeutsam: Der Familiennachzug zum Ehegatten ist davon abhängig, dass einfach deutsche Sprachkenntnisse des Niveaus A1 nachgewiesen werden muss. Aufgrund der Härtefallregelung, die mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG eingeführt wurde, dürfte dies für die Praxis ein rechtserheblicher Umstand sein.
Nach der Härtefallregelung ist das Spracherfordernis unbeachtlich, wenn es den Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumsbegehren des Ehegatten eines Deutschen das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden.
Die Jahresfrist muss aber nicht abgewartet werden, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen.
Kann dem nachzugswilligen Ehegatten kein konkretes Angebot zum Ablegen einer Sprachprüfung angeboten werden, so hat dies zur Folge, dass ein Härtefall vorliegt. Der Nachzug ist ohne Sprachprüfung zu ermöglichen.
Bewertung durch Gökay Akbulut (DIE LINKE):
„Das Menschenrecht auf Familienleben muss auch in Pandemie-Zeiten uneingeschränkt gelten. Es ist unzumutbar, von Eheleuten einen Sprachnachweis zu verlangen, den sie unverschuldet gar nicht vorlegen können, etwa weil coronabedingt keine Prüfungen stattfinden. Wie soll man einen Test ablegen, den es gar nicht gibt?“
„Es ist gut, dass das Auswärtige Amt auf die coronabedingten Einschränkungen stärker Rücksicht nehmen will, auch wenn das meines Erachtens viel früher hätte erfolgen müssen. Ich verstehe aber nicht, weshalb in Ländern, in denen es objektiv keine Sprachprüfungen gibt, nicht grundsätzlich auf diesen unmöglich zu erbringenden Nachweis verzichtet wird und es stattdessen aufwändige Prüfungen im Einzelfall geben soll, bei denen unklar ist, wie lange sie dauern werden, was genau berücksichtigt werden soll und wie das Ergebnis sein wird.“
„Es entspricht mal wieder typisch deutscher Gründlichkeit, wenn es online-Sprachprüfungen erst nach einem aufwänden, längeren Vergabeverfahren geben soll. Bereits existierende Online-Zertifikate von seriösen Anbietern könnten sofort zur Glaubhaftmachung der erworbenen Sprachkenntnisse akzeptiert werden, denn im Gesetz steht nichts von speziellen Zertifikaten, die vorgelegt werden müssten. Zur Verhinderung etwaigen Missbrauchs würde es auch völlig ausreichen, in den Botschaften bei der Visumserteilung eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Sprachkenntnisse vorzunehmen, wie es im Visumhandbuch übrigens auch vorgesehen ist. In Deutschland müssen die Betroffenen dann ohnehin einen Integrationskurs besuchen und sie werden viel schneller viel bessere Deutschkenntnisse erwerben, als dies unter oft schwierigsten Bedingungen im Ausland jemals möglich sein wird. Daran ist zu erinnern: Die Sprachregelung soll ja die Integration erleichtern, wenn sie aber den Nachzug nach Deutschland wesentlich erschwert und verzögert, wird im Ergebnis das Gegenteil des angeblich Gewollten erreicht.“
„Das Recht auf Familieneinheit ist zu jeder Zeit zu garantieren, unabhängig davon, wie lange es dauert, zusammen mit dem Goethe-Institut ein neues, ordnungsgemäßes Prüfverfahren zu etablieren. In der Praxis der Auslandsvertretungen muss es deshalb sofort unkomplizierte Lösungen geben, die auf die Unmöglichkeit eines Sprachnachweises in vielen Ländern reagieren.“
Quelle: www.migrationsrecht.net